Aule Schätzkes em Archiv - Kirchenarchivar Lensing berichtet

gerd lensing

Kompeneïsmann Gerd Lensing ist im Ruhestand vielseitig engagiert. Neben seiner aktiven Mitarbeit in der Offers-Kompeneï ist er Layouter und Redakteur bei der Velberter Seniorenzeitung STANDPUNKTE, hauptsächlich aber Archivar bei der evangelischen Kirchengemeinde in Velbert. Dem Wunsche, einmal etwas aus seiner Archivarbeit zu berichten, ist er beim Kuëmowend am 28. August 2007 gerne nachgekommen, allerdings auf Platt. Zum besseren allgemeinen Verständnis ist sein Vortrag hier in Hochdeutsch wiedergegeben.


Aule Schätzkes em Archiv

Baas Kopshoff hat mich gebeten, heute zu diesem Thema ein wenig zu erzählen. Nur eins ist dabei sicher: Bei „Archiv“ muss es sich um das Archiv der ev. Kirchengemeinde in Velbert handeln. Aber was sind „Schätzchen“ und welche davon sind „alt“?
Für den einen ist schon das Taufdatum seiner Großmutter, das er im Kirchenbuch gefunden hat, ein Schätzchen, für den anderen muss es schon etwas Ausgefalleneres sein, etwa ein lateinisches Pergament. Alter ist ein noch viel stärker dehnbarer Begriff. Sind 10 Jahre schon alt oder müssen es 500 Jahre sein?
Nun, in unserem Kirchenarchiv in Velbert kann man das alles finden. Kirchenbücher über Taufen, Konfirmationen, Heiraten und Tod gibt es ab 1640 bis zur Neuzeit. Jedermann, der die persönlichen Daten seiner Vorfahren sucht, ist bei uns herzlich zum Schmökern in über 100 Kirchenbüchern eingeladen. Das kann ungeheuer spannend werden.
Noch spannender aber sind andere Dokumente, die die Geschichte unserer Stadt, die ja anfangs weniger als ein Dorf war, genauso wie die Entstehungsgeschichte unserer Kirchengemeinde erzählen.
Beide Geschichten beginnen in unserem Archiv vor etwa 500 Jahren, als es im Kirchspiel Velbrecht (damals gehörte „am Heyligen Hauß“ noch dazu) nicht einmal 40 Familien gab. Eine dieser Familien waren die Offerhaus, die sowohl meine Frau als auch ich zu unseren Velberter Vorfahren zählen können, und in deren nachgelassenem Haus wir als Offers-Kompeneï heute noch unsere Treffen haben.
Aber nicht davon will ich heute erzählen, sondern von der Geschichte der Kirchengemeinde Velbert. Wenn man heute einen Gottesdienst in der Alten Kirche besucht, sollte man sich einmal bewusst machen, dass genau an dieser Stelle schon vor 1000, wahrscheinlich sogar vor 1300 Jahren, unsere Velberter Altvorderen zu Gott gebetet haben!
Etwa ab dem Jahr 1100 war die damalige Kapelle der Heiligen Ida eine Tochterniederlassung der Kirche St. Clemens am Born in Werden, die wiederum eine Außenstelle der Abtei war. 500 Jahre lang waren die Velberter Bauern damit zufrieden, dass zwar samstags und am Tag vor christlichen Feiertagen ein Prediger aus Werden mit ihnen Gottesdienst feierte, sie aber für Taufen, letzte Ölung und alle anderen Sakramente die weglosen 7 km bis nach Werden laufen mussten, in jeder Jahreszeit, bei jedem Wetter.
Erst am Ende des 15. Jahrhunderts wurden die ersten Velberter rebellisch und versuchten, den Abt in Werden und den Pastor zu Born zu überreden, ihnen in Velbert einen eigenen Prediger zu geben. Aber selbst, als die Velberter 1488 im Seitenschiff der Idakapelle einen zweiten Altar stifteten, wollten Abt und Pastor ihre Pfründe nicht aufgeben.
Erst 1518 gab es ein erstes Zugeständnis, als den Velbertern ein eigener Vikar gegönnt wurde, der hier sogar Wohnung beziehen durfte. Sein Haus mit zugehörigem Land, sowie einige Rechte, die seinen Lebensunterhalt sicherten, wurden von den Velberter Bauern gestiftet. Aber die heiligen Sakramente waren nach wie vor St. Clemens am Born vorbehalten. Über diesen Akt gibt es eine Pergamenturkunde mit Unterschriften und Siegeln der Abtei Werden, der Mutterkirche St. Clemens und des Gerichts in Homberg. Das Original liegt heute in unserem Archiv, die Kopie im Pfarrarchiv Werden.
Aber nun gaben die Velberter keine Ruhe mehr. Sie schrieben, als die Verhandlungen mit dem Abt in Werden nicht mehr weiter gingen, 1529 an ihren Landesherrn, den Herzog zu Jülich, Kleve, Berg, Marck und Ravensberg mit der Bitte um Gestattung aller Sakramente in ihrer Kapelle.
„Die armen underdanen und gemeyne Kirspelslude zu Velbrecht gewenn demoitlich zu erkennen“, dass ihre Vorfahren vor langer Zeit eine Kirche gegründet, die sie mit schweren Kosten bis auf den gegenwärtigen Tag im Bau unterhalten, worin gewöhnlich Gottesdienst und „dach on nacht eyne brennende lamp vor dem allerhylligsten hochwürdigen Sacramente“ gewesen.
In der selben Kirche seien verschiedene Kulthandlungen in Gebrauch gewesen, „als nemlich die bichte, missen und das christliche grafft und die Feier des hochwerdigsten, allerhylligsten lichnams unseres Herrn Jesu Christi,“ während sie „de Deufft, den Kresam, den hilligen Oilig, frauwenkirchgank bynnen Werden zu suychen haeten und zu gebruchen gedrengt werden“. Hieraus erwüchsen ihnen viele Unzuträglichkeiten „also dat manch kynt de Deuff dadurch entberen moeß und ov dem Wege durch Schwachhit verdirft und van leven zum Doede kompt“; dieselben Gefahren werden in Beziehung auf den Kirchgang der Frauen geschildert und darauf hingewiesen, dass mancher wegen des Mangels des hl. Öles unversehen sterben müsse. Sie hätten in Velbert einen Taufstein, worin Karsamstag Taufwasser gesegnet werde, das sie aber im ganzen Jahr nicht gebrauchten. Auch besäßen sie „in derselver Kerchen ornamente, altaren, klocken und schoen geluydt“, woraus wohl hervorgehe, dass früher in derselben „alle Sacrament minystryrt und gebrucht seyn worden“. Wann dieses außer Gebrauch gekommen, sei ihnen unbekannt.
Herzog Johann erteilte gegen die ausdrückliche Meinung von Abt Johannes in Werden und Pastor Duykers von St. Clemens am Born den Velberter Bauern die gewünschte Erlaubnis, widerruft sie jedoch nach massiven Protesten des Werdener Abtes 1534, obwohl Pastor Duykers inzwischen offensichtlich den Velbertern bei Taufen und Begräbnissen Zugeständnisse gemacht hatte. Der endgültige Ausgang der Angelegenheit geht aus den überlieferten Urkunden nicht hervor.
Die engherzige Behandlung der Bewohner Velberts ist wohl eine der Ursachen, dass diese als erste im Stiftsgebiet Werden sich der reformatorischen Bewegung anschlossen. Schon zwischen 1548 und 1552 gab es in Velbert einen Prediger Wilhelmus Hollmann, der neben den Katholiken in der St. Ida Kapelle evangelischen Gottesdienst hielt. Diese erste evangelische Gemeinde war zunächst nicht sehr zahlreich, und hat sich nach vier Jahren wohl auch wieder aufgelöst. Erst um das Jahr 1560 kam dann der große Umschwung.

Und hier finden Sie die Termine für unsere nächsten Treffen.



© www.velberter-platt.de   Dienstag, 28. August 2007 10:00 Redaktion

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