Die Spitzhacke forderte ihre Opfer – und findet kein Ende

villa herminghaus

Von Friedhelm Kopshoff

Vor kaum mehr als 40 Jahren fielen in Velbert die vom alten Dorfkern erhalten gebliebenen Häuser an der Alten Kirche der Spitzhacke zum Opfer. Es waren die Häuser an der Milchstraße 2-10 mit den alten Hausnamen Vorm Thurm, Hinterm Thurm, Im Palmbaum, Offers Leibzucht und Am Hessenbleek. Das Alter der Häuser ließ sich nicht mehr genau feststellen, doch sie waren schon sehr alt und zudem baufällig geworden, weil über lange Zeit hin nichts mehr getan worden war, um diese in städtischen Besitz übergegangene Häuser baulich zu erhalten und unter Denkmalschutz zu stellen.
    Ähnlich erging es Mitte der 7oer Jahre dem aus dem 14./15. Jahrhundert stammenden und ebenfalls in städtischem Besitz befindlichen Mohnser Hof, zuletzt bekannt als Städtische Herberge. Weil die Stadt die hohen Instandsetzungskosten nicht tragen wollte, blieb das Haus zunächst leer stehen, bis schließlich der Sanierungsausschuss der Stadt 1974 feststellte, dass die Alte Herberge mittlerweile völlig baufällig sei und deshalb nur noch der Abbruch des Gebäudes empfohlen werden könne, womit sich zugleich für das geplante Bauvorhaben „Commerzbank“ eine wirtschaftliche und interessante Lösung biete. Selbst das Eingreifen des Landeskonservators und des Regierungspräsidenten, die Alte Herberge unter Denkmalschutz zu stellen, blieb erfolglos, weil es der Stadt wegen der enorm hohen Kosten nicht gelang, für das Gebäude einen Käufer zu finden. Die WAZ berichtete am 07.08.2009.

    Nachdem 1982 Cölsches Haus (Garweg-Haus) und 1999 das Haus Im Schwan abgerissen wurden, bleibt vom alten Stadtbild nun wirklich nicht mehr allzu viel übrig. Was bleibt denn neben dem Offers noch großartig an alterwürdigen Häusern erhalten?

Wer kennt nicht das alte Bürgermeisterhaus? Es wurde 1825 von dem Velberter Handelskaufmann Kölver als Haus Unter den Linden errichtet und später von dem Velberter Fabrikanten vom Bruck erworben und hieß lange Vom-Brucksche-Villa, bis es 1925 in den Besitz der Stadt kam und als Bürgermeisterhaus diente. Nach 1945 diente das unter Denkmalschutz stehende Haus vielfältigen Zwecken, ohne dass viel für seine bauliche Erhaltung getan wurde. Wer weiß, was geschehen wäre, hätte nicht vor rund 30 Jahren die Familie des Steuerberaters Heinz Schellenberg das Haus in Erbpacht übernommen. Es musste mit großem finanziellen Aufwand und mit viel Arbeit in Selbsthilfe von Grund auf saniert werden. Dank der privaten Initiative ist das alte Bürgermeisterhaus nach wie vor ein bedeutsames Zeugnis Velberter Industriegeschichte und ein erhaltenswertes, reizvolles Schmuckstück des Stadtbildes.
    Das Haus Im Engel ist stadtbekannt als Alte Apotheke oder Engel-Apotheke und schon über 250 Jahre alt. Als im Jahre 2001 der jetzige Besitzer, der Apotheker Hans-Eberhard Kaufmann, seinen Apothekerkittel an den Nagel hängte, endete zugleich die lange Tradition eines Apothekenhauses, die 1771 mit der ersten Apotheke in Velbert begann. Das Haus hat in den letzten Jahrzehnten mehrere Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen erfahren, um eine zeitgemäße und wirtschaftliche Nutzung zu gewährleisten, jedoch ist die Fassade dabei stets unberührt geblieben. So stellt sich das Haus heute noch so dar wie vor langer, langer Zeit, nämlich im guten bergischen Stil. Das ursprünglich in Fachwerkbauweise errichtete Haus ist ganz mit Schiefer verkleidet bzw. gedeckt und besitzt weiße Fensterrahmen. Dass das nun schon weit über 250 Jahre alte Gebäude sich in einem sehr ansehnlichen Zustand befindet, ist der Familie Kaufmann zu verdanken, die dafür stets viel Interesse zeigte und keine finanziellen Aufwendungen scheute. Es bleibt zu hoffen, dass das Haus Im Engel als gutes Beispiel bergischen Baustils noch recht lange das Stadtbild zieren und beleben wird.
    Der bereits im Jahre 1050 urkundlich erwähnte Hof zum Hof ist wohl der älteste Hof in Alt-Velbert, der zugleich grundherrschaftlicher Oberhof mit mehreren Höfen war. Heute existiert davon nur noch das an der Ecke Nedder- und Hofstraße hinter einer hohen Hecke und einem Eisenzaun ziemlich versteckt liegende alte Fachwerkhaus. Einst tagte in dem heute noch bestehenden Hause das am Oberhof existierende Hofgericht, zu dessen wesentlichen Aufgaben es gehörte, über Behandigungen (Besitzzuweisungen), fällige Abgaben, Grenzstreitigkeiten und dergleichen zu verhandeln. Heute ist dieses Haus in Privatbesitz. Es macht einen sehr gepflegten Eindruck und ist zusammen mit dem Offers das letzte Überbleibsel des einst um die Kapelle der Hl. Ida bestehenden Dorfkerns von Velbert. Eine am Hause angebrachte Tafel des bergischen Geschichtsvereins erzählt die Geschichte des Hofes. Das alte Fachwerkhaus erinnert uns an die bäuerliche Vergangenheit unserer Stadt. Wir sollten das nicht vergessen, wenn es um die Erhaltung alten Kulturgutes geht.
    Ein sagenumwobenes Haus ist das Haus am weißen Stein an der oberen Friedrichstraße. Die Sage besagt, dass ein vor dem Hause liegender großer weißer Stein sich drehen werde, wenn er zu Mittag die Glocken läuten höre. Eduard Schulte (1851- 1929) erzählt uns diese interessante Geschichte in seinem Buch Fieles on Hamerschlag. Das Haus existiert noch, die an ihm vorüberführende kleine Verbindungsstraße zur Oststraße heißt Am weißen Stein, nur der weiße Stein selbst ist nicht mehr zu finden. Über 360 Jahre ist dieses Haus schon alt, wie eine an dem schmucken Haus angebrachte Gedenktafel ausweist, auf der als Baujahr 1650 genannt ist. Besitzer sind heute Nachfahren des Schlossermeisters Wilhelm Overhamm (1813-1888), der das Haus um die Mitte des 19. Jahrhunderts erwarb. Das Haus, in dem noch die alten Balkendecken zu sehen sind, befindet sich in einem für sein Alter hervorragenden Zustand. Man sieht, dass die Besitzer ihr Häuschen lieben und pflegen.

An diesen in Privatbesitz befindlichen Häusern ist zu erkennen, wie mit viel gutem Bürgersinn sich alte Bausubstanz und damit wertvolles Kulturgut erhalten lässt. Und was tut die Stadt Velbert? Sie ist bereit, zu allem, was schon zerschlagen wurde, nun auch noch die in ihrem Besitz befindliche herrliche Herminghaus-Villa für zweifelhafte Bauplanungen zu opfern. Über die erhebliche Bedeutung dieses Baudenkmals und dessen Erhaltung ist nun schon Einiges geschrieben und vor allem unter www.derwesten.de kommentiert worden. Das zeigt, welche helle Empörung die Pläne der Stadt in der Bevölkerung inzwischen wach gerufen haben. Vor der letzten Kommunalwahl hätte es dazu den Befürwortern der Pläne gewiss mächtige Stimmenverluste eingebracht, wären die Pläne damals bereits hinreichend bekannt gewesen. Zudem passt das Verhalten der Stadt wohl kaum dazu, dass sie 2012 das Jubiläum „100 Jahre Herminghauspark“ feiern kann, denn im Jahre 1912 stiftete Emil Herminghaus sen. der Stadt Velbert 30000 Reichsmark – was damals sehr viel Geld war - als Grundlage für die Errichtung des später nach ihm benannten herrlichen Parks.

Nach allem, was in Velbert in den letzten Jahrzehnten geschehen und zu einem bedauerlichen und unwiederbringlichen Gesichtsverlust im Stadtbild geführt hat, sind die Pläne zum Abriss der Herminghaus-Villa nun wohl der Gipfel. Das letzte Wort ist darüber aber gewiss noch nicht gesprochen.

Wer mithelfen will, die Villa Herminghaus zu erhalten, findet hier weitere Informationen: Bürgerinitiative Villa Herminhaus sagt: Nein zum Abriss



© www.velberter-platt.de   Sonntag, 17. Januar 2010 21:22 Redaktion

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