
„Es war im Februar 1851, als ich auf die Welt kam. Es war ein kalter Tag und überhaupt ein kalter Winter 1850/51 gewesen, wie mir mein Vater später erzählt hat, und als ich getauft wurde, haben meine Familie und die Gäste mit Kaffeetrinken und Wein nett gefeiert.“ So schreibt Eduard Schulte in seinem Buch „Fieles on Hamerschlag“, in dem er seinen Erinnerungen in Velberter Platt einen breiten Raum schenkt. Diese in Mundart erzählten Erinnerungen sind zum allgemeinen Verständnis auch im Folgenden in Hochdeutsch übertragen.
Schulte berichtet weiter: „Als ich nun zwei Jahre von meiner Mutter gehegt und gepflegt worden war, bekam ich ein kleines Schwesterchen, doch unsere Mutter musste das kleine Leben mit ihrem Tode bezahlen. Das war für uns Kinder schlimm, denn unser Vater konnte sich wegen der vielfältigen Geschäfte nicht genug um uns kümmern. An Personal hatten wir für die Pferdeställe, Scheune und Hof einen Hausknecht, wir hatten für Küche und Keller eine Haushälterin und für Kühe, Schweine und Garten eine Kuhmagd und dann noch eine Küchenmagd. Zwischen zwischen Frauen wurden wir kleinen Kinder nun hin und her geschubst, doch waren wir meistens uns selbst überlassen, bis dass die Schule anfing. Aus den frühesten Kinderjahren weiß ich mich zu erinnerrn, dass unser Haus von morgens bis abends arg belebt war. Es ging den ganzen Tag in unserem Haus wie in einem Taubenschlag herein und heraus.
Wenn wir Jungen mittags oder nachmittags aus der Schule kamen, mussten ich und unser Julius und Gustav bei den Schlossschmieden im weiten Umkreis bis Langenberg, Heiligenhaus und Wülfrath herumlaufen, um Schlösserzu holen und Bestellungen oder Mahnungen zur Lieferung fortzubringen. Auch beim Einpacken der Schlösser mussten wir Jungen helfen. Zwei Jahre lang bin ich auf der Tönisheide in die Schule gegangen. In der Zeit als ich, der jüngste von vier Brüdern, noch in die Volksschule ging, besuchten zwei ältere Brüder die Höhere Bürgerschule. Als ich zehn bis elf Jahre alt war, ging ich auch in die Höhere Schule, die ich bis April 1865, als ich 14 Jahre alt war, besucht habe.“
Danach absolvierte Eduard Schulte bei einem Sattler in Barmen in die Lehre und begab schon bald darauf auf Wanderschaft, die ihn bis nach Stralsund führte. Dort meldete er sich mit 18 Jahren freiwillig zur Marine, leistete auf der Panzerfregatte „König Wilhelm“ seine Dienstpflicht ab und nahm auch am Kriege 1870/71 teil. Nach Beendigung des Krieges und seiner Entlassung aus der Marine kehrte Schulte in seine Heimat zurück, wo er ein Polsterer- und Möbelgeschäft gründete. Alsbald stellte er den Betrieb auf die Herstellung von Treibriemen und Schleifscheiben um und konnte damit 1925 das 50jährige Geschäftsjubiläum begehen.
Eduard Schulte hat sich im öffentlichen und bürgerlichen Leben stets aktiv betätigt. Er war vor dem 1. Weltkrieg lange Zeit Stadtverordneter und gehörte auch über viele Jahre dem Kreistag an. Hinzu kamen Berufungen als Schöffe und Geschworener. Jahrzehnte lange Mitgliedschaften bei der freiwilligen Feuerwehr, beim Bürgerverein, beim Marineverein, bei Männergesangvereinen und beim Leseverein zeugen von seinem enormen Engagement, das zahlreiche Ehrenmitgliedschaften bestätigen. Sein besonderes Interesse galt dem Leseverein, dessen Mitbegründer er war, weil die Förderung des allgemeinen Bildungsniveaus eines seiner dringendsten Anliegen war. Das Wirken des Lesevereins entsprach aber auch seiner dichterischen Veranlagung. Dort hatte er einen guten Namen als Berater in heimatgeschichtlichen Fragen. Auf Anraten des Vereins verfasste er die Erzählung „Die Musterschmett“, in der er bis ins Detail eine frühere Schlossschmiede beschrieb. Bei den vom Verein veranstalteten Bergischen Dichterabenden wirkte er in Lesungen und Vorträgen in Velberter Mundart mit. Der Leseverein war es denn auch, der die schriftstellerische Arbeit von Schulte erkannte und würdigte, indem er 1925 in dem Buch „Fieles on Hamerschlag“ die gesammelten zahlreichen Gedichte und Geschichten herausgab,. Die erste Auflage des als Heimatbuch anzusprechenden Werkes war schon bald vergriffen. Zum 150jährigen Bestehen der von Eduard Schultes Vater gegründeten Schulte Schlagbaum AG im Jahre 1983 brachte das Unternehmen zusammen mit der Buchhandlung Löhr in Velbert einen Nachdruck von „Fieles on Hamerschlag“ heraus.
Eduard Schulte hing mit jeder Faser seines Herzens an seiner Heimat. Man hörte ihn gern erzählen von Velberts vergangenen Zeiten, von alten Velberter Originalen, vom arbeitsamen und einfachen Leben der Bürger, aber auch von Freud und Leid und echtem Bürgersinn. Wir verdanken ihm mit „Fieles on Hamerschlag“ die Schilderung des Lebens in seiner Vaterstadt um die Mitte des 19.Jahrhunderts und insbesondere die Grundlagen für die Erhaltung des Velberter Platt in Wort und Schrift. Der Bürgermeister der Stadt Velbert nannte ihn in einem Nachruf einen verdienstvollen Bürger, der mit vorbildlichem Gemeinsinn am Werden und Gedeihen unserer Stadt lange Jahre aktiv und erfolgreich mitgewirkt hat
Der 80. Todestag von Eduard Schulte am 29. Juli 2009 gibt der Offers-Kompeneï allen Anlass, seiner ehrenvoll zu gedenken und das mit einer Lesung aus „Fieles on Hamerschlag“ ganz besonders zum Ausdruck zu bringen.